Ich sitze mal
wieder im Zug. Das fahrende Geräusch des brausenden TGV erinnert mich an das
asthmatische Gerassel meines Kühlschranks letzte Nacht, dass mich früh um fünf
aus dem Schlaf riss. Haha, ein Gerassel, das reißt.. Nur leider keine Witze.
Ich verstecke mich in den großen Sitzen, habe den Versuch eine Bilanz zu
verstehen nun endlich aufgegeben und schlage mich mit anderen Tabellen herum.
Zudem hoffe ich innerlich, dass der Schaffner nicht kontrolliert. Die Bahnkarte
für tolle Reduzierungen liegt auf dem Tisch in Strasbourg und lacht sich ins
Fäustchen. Sowas, und ich dachte, nach der hitzigen Arbeitszeit im Büro müsste
ich heute nicht mehr schwitzen. Noch knapp eine Stunde Fahrt und bei mir
gurgelt es im Herzen. Oh bitte nicht, ich möchte doch am Montag ein wenig
Schlussverkaufsluft schnuppern! (Auch wenn ich glaube, dass die
Reinigungschemikale der Putzfrau in den Büroräumen meinen Geruchssinn weggeätzt
hat.) Ich fahre nach Paris. Zehn Tage nur Saint-Germain-des-Près, Marais, Seine,
Jardin du Luxembourg, meine Wohnung, die alte Teetasse, ein buntes
Durcheinander, Freundinnen als Mittagsgesellschaft und Freund um mich herum –
herrlich. So soll es sein. So einfach kann es sein. Na gut, eine wichtige Sache
ist jeden Tag zu machen (schrieb sie und weigerte sich das Wort zu nennen),
aber auch das scheint mir heute Abend eine Leichtigkeit. Motivation vom
verspannten Nacken bis zu den fröstelnden Zehen. Na toll, da ist der Schaffner
…
Montag
Und nun bin ich
in 30 Minuten wieder in Strasbourg. Die Nacht verbrachte ich mit schlechtem
Gewissen. Wie Dracula zog es über mich und saugte am Herz. Haha, ein Walzer des
Genusses. Nicht lustig. Dazu kam Hitze, vom sonnengebräunten Körper und von der
dicken Bettdecke. Dann, gegen vier Uhr morgens, fing es an zu regnen und ich
bin endlich eingeschlafen. Komischer Traum, eine Stunde später aufstehen. Paris
sah ganz verschlafen aus. Aber, was für ein schöner Regenschimmer auf den
Häusern und Laternen.
Was passierte
diese Woche also im Einzelnen? Das letzte Wochenende war zum Glück ganz ruhig.
Durch die Strassen flanieren, sich innerlich auf den Schlussverkauf freuen,
Küsse und der Versuch auszuschlafen. Am Montag, nachdem ein wenig getippt
wurde, um halbwegs anständig und mit leichtem Herzen den Nachmittag zu
verbringen, ging es also auf die Prozente-Pirsch. Ein wahres Happening
für jeden Begeisterten. In der allerletzten Woche des
Schlussverkaufsereignisses bzw. Wirbels durch die Läden zu ziehen, ist ja immer
so eine Sache. Einerseits kann man unglaubliche Schnäppchen machen,
andererseits lohnt es sich nicht einmal ansatzweise den Verkäufern mit der
Frage: „Haben Sie das noch in 34?“ oder
„Gab es dieses Muster nicht auch als Kleid?“ zu kommen. Da erntet man nur
erstaunte Blicke des Genres : Wie kann sie so etwas jetzt noch fragen?. Also
muss sich das Plappermaul zusammen reissen und eben fünf Bash – Boutiquen auf
den Kopf stellen, um zwar einem Kleid, aber nicht der passenden Grösse auf die
Schliche zu kommen. Na, der Ärger darüber wurde in Schuhen ausgelassen. Wie
schön, dass man sich alle Möglichkeiten offen lassen kann. Es lebe der
Schlussverkauf! Dramatisch endete dieser allerdings mit einer Suche nach einem
Ring, den ich ausversehen in den Müll geschmissen hatte, anstatt ihn, artig, in
den Schrank zu räumen. Zum Glück war es nur der Papiermüll…
Hin-und wieder in
der Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts gewesen und viel Zeit mit
Recherche, Lesen und Masterarbeit verbracht. Über und über mit Büchern
bestückt, sass ich an dem schönen grossen Tisch in grün und starrte von Zeit zu
Zeit in den Innenhof. Da sah es in den ersten Tagen ein wenig grau aus, aber
ich hatte ja Unterhaltung mit Nietzsche, Marcuse und Elias. Als mein Wille zu
bleiben irgendwann die Hintertür nahm, kam die Bibliothekarin und sagte: „Ich
habe endlich die zwei Bücher gefunden, die Sie heute Morgen bestellt haben.“
Ach so? Scheibenkleister, die hatte ich vergessen und da ich nun ernsthafte
Miene zur räsonnierten Arbeit machen wollte, quälte ich mich weiter. Endresultat:
Ich habe sogar etwas zu Papier gebracht in dieser Woche. Natürlich bei weitem
nicht so viel, wie mit dem enthusiastischem Esprit vereinbart, aber doch, Panik muss nicht mehr mein ständiger Begleiter sein. Hoffentlich ist es
trotzdem bald vorbei!
Mit Freunden zu
Mittag gegessen. Geburtstag gefeiert. Dazu Schokoladenkuchen gefuttert. 26
Jahre. Naja, Weisheit und Eleganz sind immer noch ferne Verwandte. Daumen in
der Kaffeetasse einklemmen, einer Nudel im Kochtopf den Krieg erklären… nennt
man nun so etwas charmant oder unreif?!
Den feirigen
Abend allerdings im Théâtre de Chatelet gewesen, um dem San Francisco Ballet zu
applaudieren. Wonderful, marvellous! Ein Vergnügen, ein Angebot, Menschen beim
Exprimieren zuzusehen. Keine steife Ballerina in Tütü. Leichte Kostüme,
ausdrucksvolle Gesichter. Keine Geschichte in fünf Akten. Kein Sterben oder
Leid. Ausdruck der Freude. Die spanische Seniorita im roten Kleid, vor mir
sitzend, fand das genauso und konnte nicht umhin es ihrer Nachbarin regelmässig
ins Ohr zu quietschen oder aufzuspringen. Ja, das mit dem sitzen bleiben
während andere sich bewegen, ist schwer, weiss ich. Aber, holla die Waldfee, so
ungemütlich waren die Sitze nun auch wieder nicht! Nach der Vorstellung ging es
langsam nach Hause. Es war immer noch richtig heiss und sollte nur ein
Vorgeschmack auf das Wochenende und die Kapazitäten der Sonnenkugel sein.
Samstag, also schnell schnell, in den Jardin de Luxembourg. Als Mademoiselle
nach zwei Stunden mit ihrem Briefroman auf den gerillten Stühlen hin-und
herrutschte, wurde es dann wirklich Zeit sich einen neuen Plan auszudenken. Die
Neugier zog uns zu Paris Plage, dem künstlichen Strand an der Seine. Die
schiere Unmöglichkeit eines Platzes im Schatten und dann auch noch für zwei
Person, lachte uns an, ja beinahe aus. Bis wir, ritterlich und unerwartet, eine
riesige Hängematte für Zwei fanden. Da lagen wir also. Der Lärm um uns herum
verwandelte sich in melodiöses Hintergrundgequatsche. Wir starrten in den
Himmel, erzählten mal etwas, staunten über grün gefleckte Leggins mit pinken
Sportschuhen, philosophierten über das Angeln und konnten das 20h-Bimmeln der
Notre Dame nicht fassen.
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