Diesen Text schrieb ich vor zwei Wochen. Im Zug
sitzend. Aufgeladen vom Gedanken an den Feierabend, an die Landluft und die Füße
im Wasser. Und mit schlechtem Gewissen, da der To-Do-Eintrag : BLOG! von Woche
zu Woche mit unterschiedlichen Farben unterstrichen, großgeschrieben, umrundet,
verviereckt wurde … Dann ging die Batterie herunter; der Computer und das
Telefon waren in den nächsten Tagen nur noch kaputte Gegenstände und alles
Material befand sich darauf. Heute, es ist Freitagabend und im Nachbarhaus
rollt auf jeder Etage ein Ball über die Flachbildschirme, habe ich diese
untenstehenden Worte wiedergefunden. Die wird es jetzt ohne Fotos geben müssen…
Ich hoffe, nächste Woche dann noch einmal einen solchen Bericht über soooo
viele Dinge zu schreiben (Festival Premières, Sonne, Umzug etc). Mit Bildern.
Nun, viel Spass beim Lesen und zögert nicht,
eine Nachricht, Fragen und so weiter zu hinterlassen!
Der Zug bremst urplötzlich und ich bemerke das
Umfallen meiner Kugelhupfe. Zum Glück haben sie die richtige Form um durch das
Abteil zu rollen.
Es ist Freitagabend und ich freue mich auf
eines ganz besonders an diesem Wochenende: ausschlafen. Selbst wenn ich in den
Süden fahre und es wahrscheinlich als unhöflich angesehen wird ewig unter der
Bettdecke zu liegen, möchte ich meinen Augen Zeit zum Ausruhen geben. Die
letzten Wochen sind wie die kleine mexikanische Rennmaus davon geeilt und alle
Eindrücke konnten gar nicht so schnell notiert werden, wie sie wieder davon
geflogen sind.
Strasbourg. Eine so niedliche Stadt, das selbst
Dorothee und Toto weglaufen würden. Alles ist sauber, alle Bewohner sind
zuvorkommend und aufmerksam. Es ist wie in einer zauberhaften Schneekugel zu
stecken. Anfangs klopft man gegen das Glas und denkt sich : „Nanu, wo ist denn
hier nur der Sauerstoff?!“; mit der Zeit kann sich der pariserische
Kleinsnobismus sogar daran gewöhnen. Die Innenstadt ist wunderhübsch, nur die
Kathedrale wirkte zu Beginn ein wenig einschüchternd. Sie machte in den ersten
Tagen den Eindruck, als fiele sie jeden Moment um. So in etwa habe ich mir den
Schiefen Turm von Pisa vorgestellt. Mittlerweile habe ich mich auch daran
gewöhnt, auch wenn sie einfach so und überall auftaucht. Sie ist der
Orientierungspunkt, wenn man durch die kleinen Gassen der Stadt läuft. Durch
die Arbeit konnte ich schon ein paar herrliche und kreative Orte entdecken.
Schade, das die Sommerpause bevor steht, somit müssen sooooo viele Theater und
ich bis zum Herbst warten! Allerdings hatte ich meine erste Straßburger
Kulturerfahrung diesen Mittwoch, als es im Rahmen des Festivals Nouvelle
Danse ins Maillon zu Sacre Sacré Printemps von Laurent
Chétouane ging. Moderner Tanz ist ja eine perfekte (oh Faden verloren, vor
mir im Zug hat sich eine Frau gerade einen Kugelhupf geschnappt und für eine
Sekunde befürchtete ich einen Angriff auf meinen Kuchenbeutel…) Alternative für
alle, die nichts mit Tütü und Applaus alle fünf Minuten anfangen können. Und
hierbei sah es nach professionellem Spaß aus. Die Körperspannung glich keinem
Blitzschlag und die Maillots hatten vermutlich die Bequemlichkeit von
Schlafanzügen. Ich finde es gut, das es in solchen Stücken nicht 100 % um
das Verstehen und eine feste Bedeutung geht. Wenn du etwas aus den Bewegungen
lesen kannst, ok, dann prima, doch wenn nicht, erfreue dich einfach am Rhythmus
und der Melodie der Körper. (Gerade hält der Zug in Dijon, dem Senfparadies.
Die Innenstadt sieht herrlich alt aus und die Kathedrale hat einen
wunderschönen grünen Turm.)
Am Montag wird endlich umgezogen. In den
letzten Wochen hauste ich in einer sehr charmanten WG. Ein wenig weit weg
(www... hihi!), doch ein trautes Dach über dem Kopf mit ausreichendem Platz für
meine Schuhe. Gestern veranstalteten wir ein winziges Diner, das ich mit Tee
und wirren Blicken verbrachte, während die anderen es sich bei bulgarischen
Sonstewas-Leberfreuden gemütlich machten. Der Duft des Calvados' klebte
förmlich die ganze Nacht an den Wänden, sodass sich Träume von Cidre und der
Normandie einschleichen konnten. Nun, in ein paar Tagen verlasse ich das
Wohngebiet und ziehe Richtung Zentrum, umgeben vom Théâtre National de Strasbourg
und der Bibliothèque nationale und der DRAC und der préfecture und und und...
Auch andere sympathische Menschen
kennengelernt, mit denen man zu Diskomusik kichern und die Mittagspausen
verbringen kann.
Nicht allzu attraktiv fand ich die
Wahlergebnisse der EU-Wahl, die mir immer noch auf den Magen schlagen. Es
scheint, als hätten sie kaum Auswirkungen auf die Mehrheit der Bevölkerung, ich
meine im moralischen Sinne. Währenddessen Presse und einige Gewillte vor Eifer
und Energie nicht mehr ruhig schlafen können, heißt es an anderen Ecken nur:
„Naja, die FN hat in der EU-Wahl alles an Stimmen bekommen, deswegen wird sie
aber noch lange nicht Präsident!“ Oder man hört Scherze zur eventuellen und
grauenhaften Entwicklung des Landes: „Pass nur auf, in zwei Jahren wirst du
keine türkischen Ausdrücke mehr sagen dürfen, hahaha.“. Wie schon gesagt:
grauenhaft. Sollte es nicht ein Prinzip sein die eine Stimme, die man hat, in
jedem Feld, nur nicht dort zu machen? Was weht nur durch dieses Europa? Und
warum scheinen sich so viele in krisenhaften Momenten trotz historischer
Erfahrungen und Kenntnisse, NICHT weiterentwickelt zu haben? Wie weit muss es
denn noch gehen bis ein großes Aufrütteln durch die Köpfe geht?
Pause.
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